Wissenschaftliche Sammlungen

Lautarchiv

Emma Spreng (Berner Oberland) Beispiel aus dem Bestand „Mundarten“

Die Berner Lehrerin Emma Spreng besprach als eine der wenigen Frauen am 22. September 1925 im Rahmen der Dialektaufnahmen eine Platte, die heute die Signatur LA 546 trägt.

Die sogenannten „Deutschen Dialektaufnahmen“ wurden vor allem in den 1920er- und 1930er-Jahren mit linguistischer Forschungsabsicht aufgenommen. Sie enthalten vor allem regionale Erzählungen sowie die „Wenkersätze“, die am Ende des 19. Jahrhunderts vom Linguisten Georg Wenker entwickelt wurden und 40 standardisierte Sätze umfassen. Als vergleichbare Parameter für die Dialektforschung sollten diese Sätze von den Sprechenden in ihrem Heimatdialekt notiert und vorgetragen werden.

Die Dialektaufnahme LA 546 von Emma Spreng ordnet sich in den Teil der freien Erzählungen ein und wurde unserer Kenntnis nach nicht für konkrete linguistische Forschung verwendet.

Tonaufnahme von Emma Spreng, LA 546

Emma Spreng-Reinhardt, geboren am 15. April 1889, war Lehrerin am Oberseminar in Bern, wo ihre Sprachaufnahme auch angefertigt wurde. Ihre Aufnahme wurde, ebenso wie 42 weitere, in Kooperation mit dem Phonogrammarchiv in Zürich erstellt, wo sie unter „Berliner Aufnahmen (LA) des Jahres 1925“ klassifiziert sind.

Während der vier Minuten erzählt Emma Spreng im schweizerdeutschen Dialekt des Berner Oberlandes die Sage der „Wurzelkinder“, die auf dem damals populären, gleichnamigen deutschen Kinderbuch von der ostpreußischen Autorin Sybille von Olfers beruht.

Umschlag des Buches „Wurzelkinder“ Public Domain - Gemeinfrei
Umschlag des Buches „Wurzelkinder“ Public Domain - Gemeinfrei

Da das Lautarchiv bemüht ist, die Rechte an der persönlichen Stimme der aufgenommenen Subjekte zu wahren, bildet die Provenienzforschung einen wichtigen Teil der Archivarbeit. Aufgrund der begrenzten Kapazitäten und der großen Materialfülle kann dieses Anliegen momentan jedoch nicht umfassend verfolgt werden. Der Fall Emma Spreng stellt ein erfreuliches Beispiel zur Re-Individualisierung einer Tonaufnahme dar: Bei genealogischen Recherchen wurde ein Nachfahre auf ihre akustische Hinterlassenschaft aufmerksam. Er trat in Kontakt mit dem Lautarchiv und empfand eine künftige Online-Verfügbarkeit ihrer Aufnahme als „völlig unproblematisch und empfehlenswert“ (Email vom 21.06.2015 Heinrich Buri an Yvonne Reimers). Im Rahmen eines Studierendenprojekts erarbeiteten Yvonne Reimers und Johanna Lessing im Seminar „Du hast mein Wort. Juristische und kulturethische Kriterien für die Nutzung der Aufnahmen aus dem Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin“ daraufhin eine Objektbiografie zur Aufnahme von Emma Spreng. Somit hat die Re-Individualisierung dieser Aufnahme keine ethischen oder rechtlichen Einwände für eine heutige Nutzung zu Forschungszwecken hervorgebracht.

Weitere Materialien

Den Dialektaufnahmen liegen natürlich andere Aufnahmesituationen zugrunde, als den Aufnahmen in Kriegsgefangenenlagern. Wir können heute annehmen, dass die Dialektaufnahmen ohne den Hintergrund eines scharfen Machtgefälles oder anderen Zwängen entstanden sind. Da während der 1920er Jahre in den Personalbögen keine Einwilligungserklärungen zu der Verwendung der Dialektaufnahmen zu finden sind und sie auch in den 1930er Jahren nur vereinzelt auftreten, sollte die Frage nach der Provenienz der Aufnahmen dennoch beachtet werden.

Zudem handelt es sich bei Emma Spreng um eine von wenigen Frauen*, die in der Sammlung des Lautarchivs präsent sind. Bereits die unterschiedlichen Kategorien und Fragen auf den Personalbögen - wie „Kann er lesen?“ - machen deutlich, dass die Erfassung vor allem männliche „Stimmgebenden“ vorsah.

Objektbiografie

22. November 1925
Aufnahme von Emma Spreng im Musiksaal des Berner Oberseminars, spätere Klassifikation: LA 546, Titel: Schweizerdeutsch (Schweiz), Sage, Sachtitel: Wurzelkinder, Aufnahmelänge: 4:13.
2015
Im Rahmen des Forschungsseminars „Du hast mein Wort. Juristische und kulturethische Kriterien für die Nutzung der Aufnahmen aus dem Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin“ (Thomas Hartmann, Dr. Jochen Hennig, PD Dr. Britta Lange) realisieren die Studentinnen Johanna Lessing und Yvonne Reimer das Studierendenprojekt „Provenienzrecherche am Beispiel der Dialektaufnahme Emma Spreng“.
2015
Kontaktaufnahme zwischen dem Großneffen von Emma Spreng, Heinrich Buri, und dem Lautarchiv. Er gibt seine Zustimmung zur weiteren Nutzung der Aufnahme.