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Rarasammlung

Elementarwerk Tab. 84

Tafel LXXXIV aus der "Kupfersammlung zu J.B. Basedows Elementarwerk": "Historische Vorstellungen. Fortsetzung"
Oben links: "Ein Beichtstuhl. Der Beichtvater mit seinem Beichtkinde, welches ihm ein Stück Geld in die Hand drückt (dies kann man durch eine Tür sehen). Nicht weit davon lässt ein Fleischer sein Kind taufen, den Exorzismus auf furchtbare Art fordernd." Oben rechts: "Eine Kommunion, wie sie bei einigen Protestanten gehalten wird. Zur Linken winkt der Küster, in welcher Ordnung nach dem Range die Kommunikanten herbeitreten sollen. Zwei Knaben in Mänteln halten das Tuch." Unten: "Eine Prozession der römisch-katholischen Christen. Unter dem Baldachin steht ein Priester mit dem Venerabile. Voraus geht ein Mann mit einem Kreuz. Hinten trägt man wundertätige Gemälde, auch Fahnen. Alsdann folgen Männer allerlei Standes mit brennenden geweihten Kerzen. Nach diesen andere beiderlei Geschlechts in andächtiger Stellung. Die Zuschauer fallen auf ihr Angesicht. Ein Protestant, der sich dessen weigert, wird von dem Pöbel geschlagen, und zum Hutabnehmen gezwungen."
Die Tafel thematisiert Glaubenspraktiken des lutherischen und römisch-katholischen Bekenntnisses. Das Bildfeld oben links zeigt Beichte und Taufe in der Kirche einer lutherischen Gemeinde in Dresden. Die Beichte ist als intim-seelsorgerliches Zwiegespräch in einem geöffneten Beichtstuhl dargestellt. Die lutherische Kirche hielt bis weit ins 18. Jahrhundert hinein am Zwang zur Einzel- und Privatbeichte als Voraussetzung für den Empfang des Abendmahls fest. Die Taufszene enthält, wie der Text verdeutlicht, ein potentiell gewalttätiges Element: Der Vater des Täuflings (ein Fleischer) eilt herbei mit einem Beil unterm Rock, womit er dem Pfarrer "den Kopf einzuhauen droht". Der Pfarrer erregt seinen Zorn, weil dieser es unterlässt, bei der Taufe des Fleischerkindes die Exorzismus-Formel "Ich beschwöre dich, du unreiner Geist, dass du ausfahrest aus diesem Diener Christi" auszusprechen. Der Exorzismus kam im 5. Jahrhundert bei der Kindstaufe in Gebrauch, als mit der Lehre von der Erbsünde der Glaube, der Teufel beherrsche alle Ungetauften, zum kirchlichen Sakrileg wurde. Die Lutheraner, auch wenn Luther darüber nichts festgesetzt hatte, nahmen den (kleinen) Exorzismus in ihr Taufritual auf und hielten lange daran fest, aufgeklärte Theologen suchten ihn aus der Kirche zu verdrängen, häufig gegen heftigen Widerstand, wie Chodowieckis Darstellung nach Basedows Kommentar zeigt. Das Bildfeld oben rechts stellt Mitglieder einer Lutherischen Gemeinde beim Abendmahl dar. Das Brot (Hostie) wird links, der Wein rechts vom Altar kniend empfangen. Zwei Geistliche vollziehen das Sakrament. Die Lutheraner glauben an die Realpräsenz Christi in Brot und Wein. Nichts darf von der heiligen Speise zu Boden fallen. Das Tuch, das die Knaben vor die Kommunikantin halten (rechts), bringt diese Sorgfalt zum Ausdruck. Der Küster regelt die Teilnahme am Abendmahl nach dem (sozialen) Rang der Kommunikanten und erhält dafür ein (Geld-)Geschenk "von jedem außer den Armen, die keinen Rang haben". Die untere Hälfte des Blattes zeigt eine Sakramentsprozession, vermutlich an Fronleichnam, das im katholischen Festjahr am Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitsfest zur Verehrung der Eucharistie gefeiert wird. Der Priester unter dem Baldachin trägt die Monstranz mit der Hostie, die nach kath. Lehre die Gegenwart Christi enthält und angebetet werden muss. Luther war ein ausgesprochener Gegner der Sakramentsprozession. In Chodowieckis Darstellung mischt sich in den Zug ein Mann mit Hut, der ihm vom Kopf gerissen wird; er ist Protestant und glaubt, "es sei Abgötterei, wenn er mit entblößtem Haupte oder bei dem Knien der anderen kniend ein Zuschauer dieses Gottesdienstes sein würde".
Legenden von C.H. Wolke in: Fritzsch 1909, Bd. 3, S. 31; Beschreibung: Bd. 2, S. 235-237 (Siebtes Buch: Die Elemente der Geschichtskunde)

© Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsbibliothek

Detailangaben

Eintragstyp Bilddokumente
ID 23344
Inventar-Nr. Nh 67690
Sachtitel Historische Vorstellungen
Datierung 1774
Beschriftung a) 84 [hs. mit Bleistift] b) Daniel Chodowiecki del: [gedr.] c) TAB: LXXXIV [gedr.] d) J.C. Krüger sc. Berol. [gedr.] e) Universitäts-Bibliothek Berlin [Stempel]
Beschriftungsort a) Kartonrand o.r. b) Bildrand u.l. c) Bildrand u.M. d) Bildrand u.r. e) Rückseite
Format Karton 19,7cm x 25,7cm; Platte 19cm x 23,6cm; Bild 16,9cm x 22cm

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