Wissenschaftliche Sammlungen

Lautarchiv

„Die Stimmen der Anderen“

MA-Forschungsseminar (Kulturwissenschaft)

„Die Stimmen der Anderen“
Tonaufnahmen aus dem kolonialen Archiv

Dr. Anette Hoffmann, Dr. Britta Lange

Sommersemester 2012

Koloniale Archive sind nicht nur als Depositorien von Dokumenten und Objekten, sondern als Spuren von Wissensproduktionen sowie imperialer Administration und Machtausübung seit einigen Jahren Gegenstand der Forschung von Kulturwissenschaftler/innen, Ethnolog/innen und Historiker/innen (z.B. Sekula 1986, Mbembe 2002, Hamilton 2002, Stoler 2008). Innerhalb dieser Recherchen und theoretischen Ansätze wurden die umfangreichen Sammlungen historischer Tonaufnahmen ehemals kolonisierter Menschen bisher – trotz einer verstärkten wissenschaftlichen Zuwendung zu Ton, Stimme und Geräusch in den letzten zehn Jahren (z.B. Kittler/Macho/Weigel 2002, Felderer 2004, Kolesch/Krämer 2006, Schulze 2008) – kaum beachtet. Vor allem seit der Gründung der ersten Phonogrammarchive (Wien 1899, Berlin 1900) sammelten Missionare und Reisende, Anthropologen, Ethnologen und Musikwissenschaftler Tonaufnahmen aus „exotischen“ Teilen der Welt (Wahl 1986, Brady 1999, Sterne 2003, Gitelmann 2004, Gaus 2009). In Berlin werden umfangreiche Sammlungen der musikalischen Äußerungen „fremder Völker“ aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bewahrt (Phonogramm-Archiv), jedoch auch Gesangs- und Musikaufnahmen (Phonogramm-Archiv) sowie Sprechaufnahmen (Berliner Lautarchiv der Humboldt-Universität) von Kriegsgefangenen des Ersten Weltkriegs. Sie dienten zur Erforschung und zum Vergleich von Musik und Sprachen zahlreicher Gruppen (Ziegler 2006); die Genres und Inhalte der besprochenen und besungenen Tonträger wurden jedoch bisher nur in Ausnahmefällen untersucht (Hoffmann 2009, Berner/Hoffmann/Lange 2011, Lange 2011).

Das Seminar bietet eine Einführung zu Fragen der Position historischer Tonaufnahmen innerhalb von kolonialen Archiven. Unter Einbezug der Ausstellung „What We See“ von Anette Hoffmann im Pergamonpalais (Mai bis August 2012) und des öffentlichen Workshops „Close Listening. Versuch einer Annäherung an historische Tonaufnahmen ,fremder Völker’“ (Hoffmann/Lange, Pergamonpalais, Mai 2012) will es an rezente Diskussionen, Fragen der kuratorischen Bearbeitung und Repräsentation sowie Möglichkeiten des wissenschaftlichen Umgangs mit historischen Tonaufnahmen anhand ausgewählter Beispiele aus den Berliner Archiven heranführen.